111 Autos

Sonntag, 01.11.2015

Unbedingt müssen wir die Teufelsmurmeln sehen, Devils Marbles, Karlu Karlu, meinte Uru, und er hatte vollkommen Recht. Auf der flachen Ebene liegen mehrere Meter große, teils nahezu runde braunrote Felskugeln verstreut, manche auch übereinander. Koko wollte wissen, warum das des Teufels Werk wäre, denn ihm würde die Deutung der Aborigines viel besser gefallen, dass es sich um die Eier der Regenbogenschlange handele.

Dann querte die Reisegruppe wieder den Wendekreis des Steinbocks, dieses Mal von Nord nach Süd, und hielt kurz an der Markierung an, wie hier überall bedrängt von sehr lästigen Fliegenschwärmen; man war wieder in den südlichen Subtropen. Koko schlug einen Halt am High Point Marker vor, dem höchsten Punkt des Stuart Highways, aber auch hier waren die Fliegen nicht des Menschen Freund und einige wollten unbedingt im Auto mitfahren.

Die Vegetation längs des Highways war nicht einheitlich. Im nördlichen Bereich wuchsen mehrere Meter hohe Büsche und Bäume. Dann folgte ein Bereich mit niedrigerem Buschwerk, dann Savannenstrukturen mit gelbbraunen Gräsern, und wieder höhere Vegetation. Insgesamt darf man sich die Gegend nicht als Sand- oder Geröllwüste vorstellen; fast überall lockern grünblättrige Gewächse den tristen Eindruck auf. Überall sind aber Spuren von Buschfeuer auszumachen.

Auch die Fauna hat sich wohl verändert. In den nördlicheren Bereichen des Stuart Highways lagen überwiegend verendete Känguruhs am Straßenrand, südlich von Tennant Creek keine Känguruhs mehr, dafür aber vereinzelte Rinder. Den Zusammenprall mit einem derartig großen Tier malt man sich besser nicht aus.

Während auf den Highways an der Ostküste höchstens 100 oder 110 km/h gefahren werden durften, auch bei vierspurigen verkehrsarmen Fahrbahnen, gibt es auf dem Stuart Highway viele Abschnitte, auf denen 130 km/h zugelassen sind; auf einigen Teilbereichen besteht sogar keine Beschränkung. Die Fahrbahnoberfläche ist aber nicht mit der deutscher Autobahnen vergleichbar. Es bestehen viele Unebenheiten, die eine langsamere Fahrgeschwindigkeit angeraten lassen.

Nach etwa 500 Kilometern wurde "The Alice", Alice Springs, im trockenen australischen Zentrum erreicht, gegründet 1872 im Zuge des Telegraphenbaus nahe einer Quelle. Der auf Initiative von Reverend John Flynn gegründete Flying Doctor Service, der sich nach einem Besuch von Königin Elisabeth 1953 "Royal" nennen darf, informierte die Reisegruppe mit einer Filmvorführung und einigen Exponaten im kleinen Museum. Weil man früh gestartet und noch Zeit war, wurde dem Vorschlag von Uru zum Besuch der School of the Air gefolgt. Die Einrichtung hat sich zur Aufgabe gemacht, Kindern im Outback Schulbildung zukommen zu lassen, in den Anfangsjahren ab 1951 mittels Funk, seit einiger Zeit über das Internet. Zunächst war die Reisegruppe alleine in der Station mit den zwei Studios, doch dann konnte sie sich einer kleinen Gruppe anschließen, der die Arbeit erklärt wurde. Anschließend hielt noch ein junger Praktikant einen Vortrag nur für die münsteraner Gruppe, assistiert von einer anderen Mitarbeiterin.

Immer wieder kommt es zu Begegnungen mit Spuren von Ludwig Leichhardt. In einem botanischen Garten wurde ein von ihm beschriebener Baum gesehen, in einem Kulturzentrum war eine von ihm entdeckte und nach ihm benannte Heuschrecke abgebildet, Straßen sind nach ihm bezeichnet, auch ein Highway, und zufälligerweise nächtigt die Reisegruppe in einem Motelgebäude, das seinen Namen trägt. Nach den beiden letzten Motels, die als mittelmäßig zu bezeichnen sind, überrascht das Quest-Motel im Outback mit einem sehr guten Standard. Auch das Internet funktioniert einwandfrei und ist natürlich kostenfrei nutzbar. Im Übrigen bleibt die Küche heute nicht kalt, denn mitgebrachte asiatische Schnellgerichte harren der Fertigung durch eine erfahrene kulinarisch versierte feminine Kraft.

Und was hat es mit der Überschrift des Tagesbeitrags auf sich? Uru behauptete beim Start, wir würden durch eine sehr einsame Gegend fahren. Natürlich hielt Koko dagegen, dass die Region gar nicht so verlassen sei. Um herauszufinden, wer Recht habe, einigte man sich darauf,  die entgegen kommenden Fahrzeuge zu zählen. Auf der fünfstündigen Fahrt mit etwa 500 Kilometer Strecke begegneten 111 Fahrzeuge, davon etwa ein Drittel Road Trains, zwei Militärkonvois mit etwa 15  Fahrzeugen, sowie ein Motorradfahrer. Und jetzt beginnt mit diesem Wissen die Diskussion darüber, ob es sich nun um eine einsame Gegend handele oder nicht. Die Münsteraner meinen in Anlehnung an die allseits bekannte Thoralf-Philosophie, beide haben Recht.

Die Tagestemperatur erreichte 38 ºC.