Uru und Koko

Freitag, 30.10.2015

Wie das so auf Reisen ist: man ist Begegnungen gegenüber aufgeschlossen und kommt schnell ins Gespräch. So ergab sich auch rasch der Kontakt mit einem Einheimischen. Man plauderte über dies und das, woher, wohin, was schon alles gesehen, wie gefällt Australien, die Hitze, die Aborigines usw., und dann ergibt sich bereits eine gewisse Vertrautheit. Und dann war es passiert: Man wagte die Frage, was man noch unbedingt alles in Australien sehen müsse, und die Antwort war eine ganze Liste. So wie sich ein Schiff in fremden Gewässern opportunerweise eines ortskundigen Lotsen bedienen sollte, so wäre die Australienreise der Reisegruppe in Begleitung eines Einheimischen ungleich wertvoller. Und er hätte Muße, Zeit und Lust, der Reisegruppe sein Land zu zeigen. Übrigens heiße er Tooroogeeruh Wallaby, werde von seinen Freunden, zu denen er uns gleich zählte, meist nur kurz Uru gerufen. Er bot uns auch gleich das Du an, was im Englischen ja nicht so schwierig ist, aber es fühlte sich gleich wie ein deutsches Du an.

Und am Morgen war er dann da. Zu unserer Überraschung hatte er noch einen Freund mitgebracht, denn er würde nur mit ihm gemeinsam losziehen. Diesen Freund stellte er uns auch gleich vor, er heiße Naatwinoohoos Phascolartos, der aber wegen seines schwierig zu merkenden Namens allgemein nur Koko gerufen werde. Uns sollte es recht sein; auch vier Personen passen in das Auto und die Fahrt könnte dadurch nur kurzweiliger werden, denn was hat sich ein seit 41 Jahren miteinander verheiratetes Paar schon noch zu sagen.

Der Stuart-Highway ist nach einem Schotten benannt, dem es 1862 als erstem Europäer gelang, den australischen Kontinent von Süden nach Norden zu durchqueren. Wir fuhren in der Gegenrichtung, von Darwin aus nach Süden, und erreichten Katherine. Die Landschaft veränderte sich auf der Strecke kaum; es ist Buschland mit einzelnen, auch grünen Bäumen, deren Stämme wie dazwischen liegende Flächen oft vom Buschfeuer schwarz verkohlt sind. Um so mehr überraschte es, etwas nördlich von Katherine im Nitmiluk National Park auf den wasserreichen Katherine River zu treffen. Die zweistündige Bootsfahrt durch den Katherine Gorge offenbarte eine eindrucksvolle Schlucht, bis zu 100 Meter tief eingesägt. Die Schlucht ist durch mehrere Felsbarrieren in Abschnitte unterteilt. Wegen der Klippen muss man umsteigen, aus einem Boot heraus und nach einer kurzen Strecke über Geröll in das nächste Boot einsteigen. So benutzten die Passagiere, bestehend aus einem jungen australischen Paar und zwei knorrigen Nordrheinwestfälern, insgesamt drei Boote, die jeweils für den Transport von 60 Passagieren geeignet waren. Die Schlucht kann vielleicht nicht ganz mit dem Grand Canyon oder mit dem Red Canyon mithalten, aber mit den meisten europäischen Einschnitten. Zum Glück waren wir nur zu zweit unterwegs (Uru und Koko hatten sich in einer Tragetasche versteckt), denn für die volle Familie hätte man einen erheblichen Anteil der schmächtigen Pension berappen müssen; vielleicht ergibt sich später an anderer Stelle noch die Gelegenheit, über das im Vergleich mit Deutschland höhere Preisniveau zu schwadronieren.

Die Unterkunft in Katherine, einem Ort mit immerhin 8.000 Einwohnern, war ein Motel, verfügte aber nicht über die sonst bei Motels übliche Ausstattung, wie Geschirr, Bestecke, Mikrowelle. Bei Motels versucht die Reisegruppe die Selbstversorgung; hier gelang es schließlich dem Reiseleiter, die Ansprüche der Reisegruppe zu befriedigen, indem er aus einer örtlichen Pizzeria eine Pizza Kangaroo Special und eine Pizza Queenslander beschaffte, die beide zur Zufriedenheit der Reiseteilnehmer mundeten.

Fast wäre der Reiseleiter bei seiner Beschaffungstour - die Reisegruppe gab sich derweil der Muße hin - verhaftet worden, als er beim Aufsuchen eines Liquor Stores zur Beschaffung eines kleinen Vorrats an Cans (Bierdosen) an den beiden Sicherheitsleuten am Eingang einfach vorbeiging, die ihn rüde angingen und mit ihren unverständlichen englischen Redewendungen auf ihn einredeten, von denen er nur den Begriff "ID" vernahm. Nach Vorzeigen des Reisepasses und der Erklärung, nur ein harmloser Deutscher zu sein, der des Englischen nur beschränkt mächtig und mit den Gepflogenheiten des Landes nicht allzusehr vertraut sei, konnte er mit dem Gefühl, den Einkauf halb illegal zu tätigen, passieren. Offensichtlich versucht der Staat Nothern Territory, den Kauf von Alkoholika durch eine repressive Kontrolle zu unterbinden. Die einheimischen Bürger zeigten weiße Plastikkarten vor und einer Frau wurde auch das Betreten des Ladens verwehrt. Vermutlich handelt es sich um den Versuch, das Alkoholproblem bei den Aborigines, von denen man hier im Ort an vielen Stellen herumlungernde Gruppen sieht, zu unterbinden. Wäre der Reiseleiter von Koko begleitet worden, so hätte er gleich Bescheid gewusst.

Wie auch an den vergangenen Tagen herrschte große Hitze. Eine Reiseteilnehmerin puhte: "Einmal Tropen reicht mir in meinem Leben!"